Standortplanung und Netzwerke

Die Konkurrenzfähigkeit und der wirtschaftliche Erfolg eines Unternehmens hängen ganz entscheidend von Einflüssen ab, die in unmittelbarem Zusammenhang mit den Standorten seiner Betriebe und den innerbetrieblichen Standorten stehen.

Aus der Bedeutung des Standortes einer Unternehmung für deren Überlebensfähigkeit und aus der geringen kurzfristigen Flexibilität hinsichtlich der Möglichkeiten zur Veränderung der Standorte folgt zwangsläufig die Notwendigkeit einer in die Zukunft gerichteten Standortplanung. Damit einher geht die Einbeziehung von Standortüberlegungen in die strategische Unternehmensplanung.

Die Nachteile eines ungünstigen Standortes verlangen besondere Anstrengungen zur Kompensation standortbedingter Wettbewerbsvorteile der Konkurrenz und gefährden die Rentabilität des Unternehmens.

Somit kann man die Standortplanung nicht nur als Teil einer strategischen Logistikplanung auffassen, sondern gleichzeitig als unabdingbare Voraussetzung für ein erfolgreiches operatives Logistikmanagement.

Bei der Modellierung von Standortproblemen unterscheidet man zwischen:

  • Planare (oder kontinuierliche) Standortprobleme

Optimaler Standort x bei 5 Kunden 

  • Standortprobleme auf Netzwerken

Links: Netzwerk mit 5 Kunden, Knotengewichte geben die Bedarfe an. Mitte: Im Bottleneckpunkt x ist die Distanz über den linken Knoten gleich der Distanz über den rechten Knoten. Rechts: Distanzfunktionen eines beliebigen Punktes auf der Kante zwischen Knoten 4 und 5.

  • Diskrete Standortprobleme

Schließen eines alten Lagers und Eröffnen eines neuen an einem günstigeren Standort

Ordered Median

Eine der schwierigsten Entscheidungen bei der mathematischen Modellierung von Standortproblemen ist die Wahl der korrekten Zielfunktion. Die „Geordnete Median Funktion'' bietet einen neuen Ansatz, viele bekannte Zielfunktionen, wie etwa minsum, minmax, cent-dian, k-centra, als Spezialfälle auf einmal abzudecken und führt auf natürliche Weise die Bildung von bisher nicht untersuchten Zielfunktionen herbei. Im Gegensatz zu den klassischen Ansätzen ist diese Funktion punktweise definiert und speziell für den kontinuierlichen Fall nicht notwendig konvex.

Beispiel für ein minsum-Problem: Finde den optimalen Standort für einen neuen Flughafen, um die gewichtete Summe der Distanzen zu den potentiellen Einzugsgebieten zu minimieren.

Beispiel für minimax: Positionieren von Rettungswachten, um die maximale Distanz zu einem potentiellen Notfall zu minimieren.

Dieser neue Zugang erlaubt es eine wesentlich einheitlichere Standorttheorie zu entwickeln, als sie sich bisher in Büchern und Aufsätzen darstellt. Weiterhin werden durch diesen neuen Ansatz gerade Forderungen von Praktikern im Hinblick auf die Modellierung von Zielfunktionen besser unterstützt. Geordnete Median Funktionen lassen sich sowohl für kontinuierliche Standortprobleme, für Standortprobleme auf Netzwerken, als auch für diskrete Standortprobleme formulieren.

Stochastisches Supply Network Design

Eine globale Supply Chain ist ein komplexer Entscheidungsprozess. Die Komplexität wird durch die Integration unterschiedlichster Entscheidungen verursacht, welche alle einen wichtigen Beitrag zur Performance des gesamten Systems beisteuern.

Typische Einflussgrößen solcher Probleme sind eine Menge von Märkten, eine Menge zu produzierender und/oder zu verteilender Produkte, Nachfragevorhersagen für die unterschiedlichen Absatzmärkte und Informationen über sonstige zukünftige Bedingungen (z.B. Produktions- und Transportkosten).

Mit Hilfe dieser Informationen müssen Unternehmen entscheiden wo neue Standorte (z.B. Fabriken oder Distributionszentren) eröffnet werden sollen, wie Beschaffungs- bzw. Produktionsaktivitäten zugeordnet werden sollen und wie der Transport der Produkte durch das gesamte Supply Chain Netzwerk erfolgen soll, um die Kundennachfragen zu befriedigen.

Häufig wird in der Zielfunktion dabei versucht die Kosten für das Errichten der neuen Standorte und das Betreiben des Netzwerks zu minimieren.
In der Vergangenheit haben sich Forscher auf die Gestaltung des Produktions- und Distributionsnetzwerks konzentriert (s. Geoffrion and Powers (1995)). Typischer Weise werden dabei diskrete Standortprobleme vorgestellt und einige zusätzliche Erweiterungen hinzugefügt. Diese Modelle sind aber immer noch sehr stark eingeschränkt und nicht in der Lage die realen Bedürfnisse einer Supply Chain abzubilden.

In den letzten 10 Jahren wurde viel daran geforscht diese Modelle umfassender (aber dennoch handhabbar) zu machen und den Kern der meisten Supply Chain Network Design (SCND) Probleme besser abzubilden, damit diese in der Realität zur Entscheidungsunterstützung dienen können. Diese Entwicklung kann in den Veröffentlichungen von Melon et al. (2009) und Shapiro (2004) nachvollzogen werden. Dabei wird auch klar, dass sich viele Aspekte einer realen Supply Chain noch bei weitem nicht in diesen Modellen wiederfinden.

Wie aus Shapiro (2004) hervorgeht, können Entscheidungen der Unternehmensplanung und finanzielle Entscheidungen sehr stark mit der Planung der Supply Chain interagieren. In der Realität ist das Gestalten und Managen einer Supply Chain häufig nur Teil einer ganzen Menge an Aktivitäten eines Unternehmens. Dem entsprechend müssen die Investitionen in der Supply Chain mit alternativen profitablen Investitionen verglichen werden.

Normalerweise existiert ein Supply Chain Netzwerk über mehrere Jahre, so dass sich die zugrundeliegenden Umweltbedingungen verändern können. In manchen Situationen kann die Betrachtung eines ein-periodischen Standortproblems bereits zu einem robusten Netzwerkdesign führen. In den meisten Fällen ist es aber möglich – und erstrebenswert – Veränderungen in den Standortentscheidungen zu erlauben, um das System besser auf die Veränderungen der Parameter einzustellen. In solchen Fällen wird typischer Weise eine diskrete Menge von Zeitpunkten betrachtet, in denen Änderungen an der Netzwerkstruktur durchgeführt werden können.

Eine andere Erweiterung, die nur schwer bei der Betrachtung vieler SCND Problemen vernachlässigt werden kann, betrifft die Unsicherheit zukünftiger Rahmenbedingungen, welche die Eingabegrößen des Problems beeinflussen. Es existieren ganz unterschiedliche Quellen für diese Unsicherheit, um welche die Modelle erweitert werden (s. Snyder (2006)). Hierzu zählen unter anderem die Kundennachfrage, Produktions- und Distributionskosten, aber auch die Versorgung mit Rohstoffen. Die Unsicherheit in den Daten führt zu dem Bestreben robuste SCND Entscheidungen zu finden und/oder das Risiko der getroffenen Entscheidungen zu messen und zu minimieren.

Eine Anforderung die in der Literatur oft an SCND Modelle gestellt wird, ist dass die gesamte Nachfrage aller Kunden über den Zeithorizont hinweg komplett befriedigt werden muss. Es können jedoch einige Gründe dagegen sprechen. Zum Einen ist die Nachfrage unsicher. Zum Anderen können andere mögliche Investitionsalternativen dazu führen, dass das Unternehmen es vorzieht nicht die notwendige Menge Geld in die Supply Chain zu investieren, um eine komplette Nachfragebefriedigung zu garantieren. Daher kann es interessanter und aus praktischer Sicht sinnvoller sein den Servicegrad (z.B. Anteil der befriedigten Nachfrage) der getroffenen Entscheidungen zu messen und diesen in der Zielfunktion zu belohnen.

Wir sind die ersten, die ein SCND Problem betrachten, das all diese Aspekte auf einmal berücksichtigt. Dabei wird ein SCND Problem mit mehreren Perioden, Unsicherheit und Risiko betrachtet. Der Planungshorizont ist dabei in mehrere einzelne Perioden unterteilt, in denen die folgenden Entscheidungen getroffen werden können:

  1. die Eröffnung von Standort und das damit einhergehende Investitionsvolumen Geld in die Supply Chain Struktur,
  2. die Anlageentscheidung in alternative Investitionsmöglichkeiten,
  3. die Aufnahme und das Volumen möglicher Kredite und
  4. der Fluß der Waren durch die Supply Chain

Dieser Szenariobaum beschreibt ein Standortproblem mit drei Perioden. In Periode 2 gibt es 3 mögl. Zustände und 6 in Periode 3.

Es wird davon ausgegangen, dass die Kundennachfrage und die Renditen der einzelnen Investitionen unsicher sind. Die Unsicherheit wird dabei über eine Menge von Szenarien beschrieben. Neben dem Gewinn wird auch der ROI in der Zielfunktion berücksichtigt. Der Servicegrad wird für jeden Kunden ermittelt und ebenfalls in die Zielfunktion eingearbeitet. Außerdem wird ein Risikomaß eingeführt und als ein weiteres Ziel berücksichtigt. Als letztes Ziel gilt es zudem die Gesamtkosten, bestehend aus Investitionen und Transportkosten zu minimieren. Dabei suchen wir die optimalen Entscheidungen dieses multikriteriellen Poblems für alle möglichen Zustände eines Szenarienbaums.


Optimale Standortentscheidung und Kundenzuordnung für die dritte Periode eines Szenarienbaums mit 3 mögl. Realisationen in jeder Periode (27 Szenarien).

Ansprechpartner

Hannah Bakker